Aceto Balsamico di Modena
Aceto Balsamico (di Modena), Balsamessig oder kurz Balsamico ist ein dunkelbrauner, süßsaurer Essig aus den italienischen Provinzen Modena oder Reggio Emilia. Wenn man von Balsamico spricht, ist heute in den meisten Fällen von einem Massenprodukt die Rede, das aus Traubenmost und Weinessig in guten und weniger guten Qualitäten hergestellt wird. Bei letzteren ist der Anteil an Traubenmost so gering, dass mit Farbstoff nachgeholfen werden muss. Mehr dazu später.
Die ursprüngliche Form ist der "Aceto Balsamico Tradizionale di Modena". Er wird nur aus Traubenmost hergestellt, muss mindestens 12 Jahre in Holzfässern gereift sein und darf nur in genormten 100-ml-Fläschchen verkauft werden. Diese Kosten 50 - 100 Euro und mehr pro Stück. Dafür ist echter "Tradizionale" ein Schatz an Aromen und man kann viele Gerichte damit veredeln. Es gibt allerdings Produzenten, die einen "normalen" Balsamico herstellen, der dem echten Tradizionale nahe kommt, aber wesentlich weniger kostet.Dazu gehören zum Beispiel die Essigmeister Ricordano Dodi und Lorenzo Guerzoni, die ihr Wissen mit uns geteilt haben (siehe auch: Besuch in der Essigmanufaktur Guerzoni).
Aceto Balsamico Tradizionale di Modena / Reggio Emilia
Die Herstellung von Balsamico beginnt im Weingarten. Weiße Trebbiano, Lambrusco oder eine der fünf ebenfalls erlaubten Rebsorten werden relativ spät gelesen und entsaftet. Der Saft wird durch Kochen über offenem Feuer um etwa 40 % einreduziert. Dann wird der "mosto cotto" genannte Sirup über den Winter luftdicht gelagert.
Mosto cotto ist ein sehr süßer und dicklicker Sirup. In der linken Flasche befindet sich eingekochter Traubenmost, daneben eingedickter.
Am Trester erfreuen sich nicht nur die Bienen sondern auch Hersteller von Traubenkernöl und Grappa
Die eigentliche Balsamico-Herstellung beginnt, wenn die Temperaturen wieder nach oben gehen. Zum Eröffnen einer neuen "Batterie" werden mindestens 5 Holzfässer in absteigenden Volumina benötigt. Diese werden etwa zu zwei Drittel mit dem eingedickten Traubenmost befüllt und in sogenannten Balsamico-Dachböden aufgestellt.
Die Fässer haben eine kleine Öffnung, die nur mit einem Tuch bedeckt wird. Der Most vergärt in einem kontinuierlichen Prozess zu Alkohol und weiter zu Essig. Die hohen Temperaturen, die im Sommer auf den Dachböden vorherrschen, begünstigen diesen Prozess und durch Verdunstung wird der Essig immer dickflüssiger.
Am gängigsten sind Fässer aus Eichenholz, aber es können mehrere Holzarten verwendet werden. Erlaubt sind auch Wacholder, Kastanie, Esche, Robinie, Maulbeerbaum und Kirsche. Im Winter kommt das Produkt zur Ruhe und wird klar.
Im nächsten Jahr wird aus dem zweitkleinsten Fass ein Teil entnommen und das kleinste Fass damit aufgefüllt. Vom drittkleinsten Fass kommt ein Teil ins zweitkleinste und so weiter. In das größte Fass kommt frischer, eingedickter Traubenmost. Der Kreis schließt sich. So geht es nun Jahr für Jahr. Der Balsamicomeister geht regelmäßig in seinen geliebten Dachboden und kontrolliert die Qualität.
Frühestens nach zwölf Jahren darf zum ersten Mal ein Teil des Essigs aus dem kleinsten Fass für den Verkauf entnommen werden. Dieses Produkt wird von einem Konsortium geprüft. Nur wenn die Laborwerte stimmen und 5 geschulte Verkoster das Produkt mit einer ausreichenden Punktzahl bewertet haben, wird es vom Konsortium in eine genormte, vom Industriedesigner Giorgio Giugiaro in den 80er-Jahren entworfene 100-ml-Flasche gefüllt, verplombt und darf erst dann als Balsamico Tradizionale di Modena vecchio (gealtert) verkauft werden.
Nach 25 Jahren darf das Produkt als Balsamico Tradizionale di Modena extravecchio angeboten werden, wenn es die strengen Qualitätskriterien des Konsortiums erfüllt. Dieses Produkt – es trägt ein goldenes Etikett – ist im Bezug auf Balsamico das Beste vom Besten. Es ist sehr dunkel aber nicht trüb (was beim 12-Jährigen noch der Fall sein kann). Geübte Verkoster erkennen die Aromen der einzelnen Holzarten, die in den Balsamico übergegangen sind. Ein sehr komplexes Produkt mit dem man Parmesan, Vanilleeis, Erdbeeren und vieles mehr veredeln kann.
Aceto Balsamico di Modena I.G.P.
Der Tradizionale ist außerhalb Italiens aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit und der geschmalzenen Preise nicht sehr bekannt. Was wir als Balsamico kennen ist in der Regel "Aceto Balsamico di Modena". Hier sind die Qualitätskriterien eher locker geregelt. So kann ein Balsamico aus 20 oder 80 Prozent Taubenmost bestehen. Er kann dünn- oder dickflüssig sein. Stark essigsauer oder angenehm süß. Zwei Monate gereift oder 10 Jahre. Die dunkle Färbung kann natürlich sein oder künstlich. Es braucht etwas Übung beim Verkosten und das richtige Deuten der Angaben auf den Etiketten, um zu erkennen ob ein Produkt gut ist oder billige Massenware.
Die Balsamico-Schüler vor der Kathedrale von Modena.
Herstellung und Kriterien
- Aceto Balsamico di Modena wird aus eingekochtem oder eingedicktem Traubenmost (Unterschied siehe Bild weiter oben) hergestellt, dem ein Anteil von mindestens 10 Jahre altem Essig und wenigstens 10 % reinem Weinessig zugefügt wird.
- Der Prozentsatz des Traubenmosts muss mindestens 20 % betragen.
- Die Herstellung von Aceto Balsamico di Modena muss in den Provinzen Modena und ReggioEmilia erfolgen.
- Die Trauben müssen allerdings – im Gegensatz zum "Tradizionale" – nicht aus diesen Regionen stammen. Auch die Abfüllung kann andernorts erfolgen.
- Erlaubt sind nur die Traubensorten Lambruschi, Sangiovese, Trebbiani, Albana, Ancellotta, Fortana und Montuni.
- Der Säuregehalt muss mindestens 6 % betragen.
- Die Farbe sollte tiefbraun, der Geschmack süßsauer und ausgewogen sein.
- Zur Stabilisierung der Farbe dürfen dem fertigen Produkt bis zu 2 % Karamell zugefügt werden (was bei guten Produkten nicht notwendig ist).
- Das Zufügen anderer Stoffe ist verboten.
- Die Vergärung darf durch die Verwendung ausgewählter Bakterienkulturen oder durch die langsame Veressigung mittels Holzspänen bzw. Rebschnitt erfolgen (traditionelle Methode).
- Die Veredelung erfolgt in Holzfässern aus Eiche, Kastanie, Maulbeere oder Wacholder.
- Die Fassreifung muss mindestens 60 Tage dauern.
Condimento Balsamico
Das Wort Condimento lässt sich am besten als "Würze" übersetzen. Diese Produkte unterliegen nicht den Regeln für Aceto Balsamico di Modena. Ein Condimento kann dennoch einem hochwertigen Balsamico entsprechen. Manche Hersteller, wie z.B. Ricordano Dodi, stellen alternativ zum Balsamico di Modena Produkte mit etwas weniger als 6 % Säure her. Durch die Zugabe von mehr Traubenmost entsteht ein runderes, weniger aggressiv saures Produkt, das dem Verbraucher entgegenkommt. Da ein Balsamico mit 5 % Säure aber nicht mehr dem gesetzlichen Mindestsäuregehalt entspricht, muss er als Condimento verkauft werden.
Essigmeister Ricordano Dodi (links im Bild) ist in seinem Element.
Condimento Bianco
Für den "weißen" Balsamico wird statt eingekochtem der eingedickte Traubenmost verwendet (siehe Bild oben). Dadurch ist die Farbe von Balsamico Bianco wesentlich heller. Das ist praktisch für alle Gerichte, wo die dunkle Farbe unappetitlich aussieht, wie z.B. Kartoffelsalat. Da die gesetzlichen Bestimmungen für Condimento Bianco sehr locker sind, unterscheiden sich die Qualitäten der angebotenen Produkte stark voneinander. Auch hier lohnt der Blick aufs Etikett und eine aufmerksame Verkostung. Jegliche Zutaten, die über Weinessig und konzentrierten Traubenmost hinausgehen, haben nichts in einem guten Condimento Bianco verloren. Der Geschmack sollte süßlich und ausgewogen sein, Barrique-Noten sind erwünscht und deuten auf eine Fassreifung hin.
Das Balsamico-Museum in Spilamberto ist dem Inneren eines Essigfasses nachempfunden.
Quellen:
Als Inspiration für diesen Blog diente der Besuch...
- des Seminars bei Essigmeister Ricordano Dodi unter der Ägide von Olivenölverkoster Amadeus Löw
("Studienreise Balsamico", buchbar unter: www.gustarte.it), - der Acetaia Lorenzo Guerzoni in Concordia,
- der Azienda Agricola Prati in Albinea,
- der Azienda Agricola Garuti in Sorbara,
- der Acetaia „Il Poeta“ inNavicello und
- des Balsamico-Museums in Spilamberto.
Literatur:
- EU-Verordnung 583/2009 | eur-lex.europa.eu | Online-Abruf Juni 2017
- EU-Verordnung 2081/92 | eur-lex.europa.eu | Online-Abruf Juni 2017